Im Rahmen unserer EFFORT A Kontraktierung und der diesbezüglichen Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung Arnsberg, sind u.a. Hospitationen im europäischen EU-Ausland vorgesehen, um zu erfahren, wie anderswo an Schulen unterrichtet/verwaltet/instandgehalten wird. Von einer solchen Hospitation in Brest berichtet unser Kollege Wolfgang Becker.
Montag, 16.09.24
Im Rahmen unserer EFFORT A Kontraktierung und der diesbezüglichen Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung Arnsberg, sind u.a. Hospitationen im europäischen EU-Ausland vorgesehen, um zu erfahren, wie anderswo an Schulen unterrichtet/verwaltet/instandgehalten wird. Lehrer*innen, Sekretärinnen, Hausmeister, Schulleitung, alle Interessierten können an dieser Maßnahme teilnehmen. Als Beobachtungsschwerpunkte hatten wir bei der Kontraktierung die Fachliche Unterrichtsentwicklung und Digitale Transformation gewählt. Ziel des Ganzen ist eine mittel- und langfristige Qualitätsverbesserung des Unterrichts, aber auch der Abläufe, der Ausstattung, der Gestaltung unserer Schule. Wir am UG wollen unsere Schule für unsere Schüler*innen fit für die Zukunft machen, wir möchten eine der besten Schulen Europas werden.
Nachdem sich im April dieses Jahres bereits vier Kolleg*innen auf den Weg nach Malmö/Schweden aufgemacht hatten und an verschiedenen Bildungseinrichtungen Erfahrungen machen konnten, darf ich nun vom 16.-20.09.2024 eine Woche lang am Collège-Lycée de l'Harteloire (www.harteloire.fr) im bretonischen Brest Kolleg*innen in ihren jeweiligen Unterricht begleiten (neudeutsch: Job Shadowing), mit ihnen in den fachlichen Diskurs treten, Gespräche mit allen Mitgliedern der Schulgemeinde führen, kurz, Schulalltag am Collège-Lycée vor dem Hintergrund unserer beiden Beobachtungsschwerpunkte in möglichst vielen Facetten kennenlernen.
Nach einer 13stündigen Anreise von Münster nach Brest am gestrigen Sonntag, bin ich dann heute Morgen von meiner französischen Kollegin Damaris Riedel (deutsche Deutschlehrerin in Frankreich) aufs Herzlichste willkommen geheißen, den Kolleg*innen, dem Verwaltungspersonal und Schulleitung vorgestellt und in den Schultag eingeführt worden. Ich habe mir Damaris Deutschunterricht in der Klasse 6e angeschaut, war vorher schon beim Namensvetter unseres Schulleiters, Holger Beckmann (ebenfalls deutscher Deutschlehrer in Frankreich), in einem Deutschkurs der 2e (unserer EF entsprechend) sowie später am Nachmittag noch in einem Grundkurs seiner 1ère (entspricht unserer Q1).
Ich konnte viel erfahren über Unterrichtsplanung und -inhalte in Frankreich, Grundlagen zur Notenfindung (Klassenarbeiten in unserer Form existieren eigentlich gar nicht, ebenso gibt es keine Note für die mündliche Mitarbeit, dafür kompetenzorientierte Prüfungen), Einsatz und Verfügbarkeit von Medien im Fremdsprachenunterricht, Leistungsbereitschaft- und vermögen der Schüler*innen.
Des Weiteren wurde wieder einmal erfahrbar, wie lang ein französischer Schultag für Lehrer- und Schüler*innen sein kann, nämlich von 8.00-18.00 Uhr. Dazu kommen noch Fahrten nach Hause und mindestens eine Stunde Hausaufgaben pro Tag.
Insgesamt ein interessanter erster Hospitationstag einer Woche, die ganz sicherlich noch viel Interessantes zu bieten haben wird.
On vous tiendra au courant!
Bien cordialement
Wolfgang Becker
Dienstag, 17.09. und Mittwoch, 18.09.24
Heute ist in mehrfacher Hinsicht ein besonderer Tag für mich.
Zum einen ist es schön, schon um 13.00 Uhr nach Hause gehen zu dürfen. Geht der Unterricht an den anderen Tag von 8.00-18.00 Uhr, so ist mittwochs traditionell um 13.00 Uhr Schluss, sodass die Schüler*innen auch ihre Hobbies und Freizeit ausleben können und diesbezüglich nicht ausschließlich auf das Wochenende angewiesen sind.
Zum anderen durfte ich meinem französische Kollegen Jean-Paul in seinem Chinesischunterricht (!!) besuchen. Die sechs Schüler in der 1ère (unserer Q1 entsprechend), ausschließlich Jungen, haben seinerzeit Chinesisch als zweite Fremdsprache (neben Englisch) in der 6e (unserer Jg. 6 entsprechend) gewählt. Es war absolut faszinierend zu sehen, v.a. aber zu hören, wie sich 16jährige Franzosen, ohne familiäre Anbindungen ans Chinesische, in dem für uns so fremd anmutenden Idiom austauschten. Sie stellten sich Fragen über ihr Schulleben und ihren Alltag und gaben die passenden Antworten auf die Fragen. Ich habe absolut gar nichts verstanden!! Jean-Paul versicherte mir aber, dass sie sich gut geschlagen hatten. Anschließend mussten sie zeigen, dass sie auch die Schriftzeichen beherrschten und in Form eines erweiterten Vokabeltests, kleine Sätze aus dem Französischen ins Chinesische übersetzen. Da der Kurs klein war, war ein sehr individueller Unterricht möglich. Teilweise standen alle Schüler auf Anweisung des Lehrers an der Tafel und unterstützen sich gegenseitig bei vorgegebenen Aufgaben. Man hatte den sehr positiven Eindruck, hier mehr ein eingespieltes Team zu sehen, als eine Schulklasse.
Der zuvor beobachtete Sportunterricht (Leichtathletik: Werfen und 400m Läufe) einer 4e (unserer Jg. 8 entsprechend) zeigte ein weitestgehend ähnliches Bild wie bei uns in Werl. Die Leistungsbereitschaft- und fähigkeit der Schüler*innen variierte stark. Die Sportanlagen sind der Schule direkt angeschlossen, wenn auch öffentlich. Ein Rasenplatz mit 400m Bahn (Asche) gehört ebenso zur Anlage, wie die erst vier Jahre alte Sporthalle mit einer großen, nicht unterteilbaren Halle und einer kleineren, in der eine Kletterwand zu finden ist, die wirklich auf Schulniveau ihresgleichen sucht. Die Sportlehrer*innen, wie auch die anderen Kolleg*innen, gehen bestimmt aber freundlich und zugewandt mit ihren Schützlingen um, kümmern sich auch um einzelne, deren Fähig- und Fertigkeiten noch ausbaufähig sind. Ein gleiches Bild zeigte auch gestern die beobachtete Unterrichtseinheit, ebenfalls einer 4e an gleicher Stätte bei einem anderen Sportlehrer.
Im Englischunterricht einer 1ère, den ich gestern beim Kollegen Vincent beobachten durfte, wurde über die Biopics zweier bekannter, mittlerweile verstorbener amerikanischer Künstler gesprochen - Tupac Shakur und Nina Simone. Mir fällt es sehr positiv auf, dass die Fachräume, da hier das Klassenraumprinzip der Fachgruppen herrscht (jede(r) Lehrer*in bleibt im Prinzip in seinem/ihrem Raum, die Schüler*innen kommen zu ihnen), gemäß dem jeweiligen Fach sehr schön gestaltet sind. Die Lehrkraft hat ihren festen Arbeitsplatz mit PC, daran angeschlossenem Projektor und zwei Whiteboards, auf die projiziert und geschrieben werden kann. In jedem Klassenraum hängt zudem der Text der Marseillaise (der französischen Nationalhymne).
Die gestern und heute besuchten Deutschkurse zweier Kolleg*innen zeigten erneut auf, mit welchen Schwierigkeiten, Schüler*innen allgemein beim Lernen von Fremdsprache zu kämpfen haben. So wurde mir als Französischlehrer noch einmal klar vor Augen geführt, wie viel Stoff, wie viele Vokabeln, wie viel Grammatik zu meistern ist, um die Kommunikation einigermaßen gestalten zu können. Warum heißt es, "ich bin gegangen", aber, "ich habe gelebt", warum heißt es nicht, "ich habe geverbunden" sondern nur "ich habe verbunden"? Uns Deutschen ist das klar, aber für jemanden, der unsere Sprache lernt, muss das ein nahezu undurchdringlicher Dschungel sein.
Das Brester Wetter verwöhnt uns nach wie vor. Die Sonne scheint, ab 11.00 Uhr ist es warm genug, um im T-Shirt draußen zu sein.
Zwei Tage noch, dann ist dieses Abenteuer leider auch schon wieder vorbei. Einblicke in andere Schulsysteme zu nehmen ist unfassbar interessant: so viel gleich, so viel auch wieder verschieden ... . Ich bin gespannt, was die beiden noch folgenden Tage zu bieten haben.
Je m'en réjouis déjà et vous ferai le point sur mes futures expériences !
Bises à Werl
Wolfgang Becker
Donnerstag, 19.09. und Freitag, 20.09.24
Toutes les bonnes choses ont une fin. (frei übersetzt: "Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei.")
Leider gilt das auch für meine Zeit am Harteloire in Brest. Hinter mir liegt eine furchtbar interessante Woche mit immens vielen Eindrücken und neuen Erfahrungen. Ich habe Unterricht bei neun verschiedenen Lehrer*innen in allen möglichen Jahrgangsstufen eines collège und lycée gesehen - von der ersten Collègeklasse, der 6e bis zur Abiturklasse des lycée, der terminale. Alle Kolleg*innen, mit denen ich zu tun hatte, waren unglaublich hilfsbereit, auskunftsfreudig und ließen mich bereitwillig in ihren Unterricht. Auch nicht unbedingt selbstverständlich! (Auch nicht selbstverständlich ist es, dass, um Nachhaltigkeit praktisch zu fördern, Schafe und nicht der Hausmeister auf seinem Rasenmäher, den Rasen kurz halten. Passend zu meiner bevorstehenden Rückfahrt eine Entdeckung, die ich erst heute Mittag noch gemacht habe.)
Neben der Hospitation im Unterricht, habe ich viele Gespräche mit den französischen Kolleg*innen geführt, konnte Einblicke in ihr Studium und Lehrerausbildung gewinnen, konnte Unterrichtsplanung und Leistungsbewertung besprechen, vergleichen und diskutieren. Dass im Unterricht ein Schüler eingeschlafen ist, habe ich bisher auch nicht erlebt. Der Lehrkraft war hier auch kein Vorwurf zu machen. Der Unterricht war kurzweilig und ansprechend, alle anderen Schüler*innen machten motiviert mit. Vielleicht war die vorherige Nacht etwas kurz gewesen?
Alles in allem eine tolle Erfahrung, die die eigene Arbeit noch einmal reflektieren lässt. Optimieren kann man (sich) immer. Der Blick über den Tellerrand lohnt und ist unglaublich bereichernd. Dass ich als Französischlehrer auch noch eine Schule in Frankreich besuchen durfte und dann in seiner so 'jungen' und dynamischen Stadt (Durchschnittsalter: 38 Jahre), ist dann sicherlich ebenso das Sahnehäubchen auf der sowieso schon leckeren Torte, wie auch die Tatsache, einige der Schüler*innen in der Schule wiedergetroffen zu haben, mit denen wir von den Werler Ursulinenschulen noch im Mai in Camaret bei unserer deutsch-französischen Drittortbegegnung waren.
Mein Dank gilt daher abschließend allen Verantwortlichen und Kolleg*innen des Collège-Lycée de l'Harteloire, die mich mit offenen Armen willkommen geheißen und in ihren Unterricht eingeladen haben, meiner eigenen Schulleitung, der Schulabteilung des Generalvikariats, die mich haben 'ziehen lassen' und nicht zuletzt dem EFFORT A-Programm und der Bezirksregierung Arnsberg, die die Erfahrung großzügig finanziell unterstützen.
Un grand merci à mes collègues et amis brestois pour une expérience inoubliable.
Morgen früh trete ich dann den Rückweg nach Deutschland. Nochmal fast 1200km - insgesamt also nahezu 2400km - hat sich aber gelohnt - unbestritten!!
Bises de Brest et à lundi
Wolfgang Becker